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Texte

Der Mensch in der See
Das Lebendige in der Kunst
 
 
 
 
Tim Haberkorn
Das Lebendige in der Malerei
Vom Gegenstandsbezug der Kunst


Meine Bilder gründen sich auf dem, wenn auch nicht immer störungsfreien Vergnügen und Reiz an sehend Wahrgenommenem. Sie werden dem Betrachter vorgestellt im Vertrauen darauf, daß diese Wahrnehmungen – bei einer Vielzahl von möglichen Mißverständnissen – grundsätzlich intersubjektiv kommunikabel sind. Denn die Wahrnehmung und Äußerung des Subjekts ist nicht individuell beliebig, sondern individuell gegenstandsbezogen hinsichtlich aller drei Daseinsbeziehungen: Selbst-, Umwelt- und Gottesbeziehung.


Das äußerlich Geschaute ist für den Menschen immer inneres Bild. Das äußerlich Geschaute ist nicht die Sache selbst, was immer auch das heißen mag, sondern eben Geschautes. Die äußere Welt wird durch innere Bilder erschlossen. Niemand kann aus sich heraustreten und außerhalb seines Ichs sehen.

Dieses Schauen ist als rezeptive Tätigkeit nie bedeutungs- oder inhaltslos. Kein Gegenstand ohne Bedeutung. Im menschlichen Seelenleben ist alles mehr oder weniger gesättigt mit Inhalten, die sich durch die eigene Erfahrung und darin vor allem durch den intersubjektiven Kontext, kulturelle und soziale Traditionen, erschlossen haben. Alle Wahr-nehmung hat Bedeutung. Sehen als inhaltsleerer, rein physiologischer oder äußerer Vorgang ist nicht möglich. Im besten Fall sind die Deutungen und Inhalte des Schauens geläutert und reflektiert.

Bilder sind Bilder unserer Bilder (aequivocatio est mater errorum). Eine jegliche zukünftige Theorie der Bildenden Künste muß daher konsequent als Theorie und Phänomenologie des Schauens entwickelt werden. Konstitutiv dafür sind die menschlichen Subjekte und ihr Schauen. Die Grundtätigkeit des Bildenden Künstlers ist diese allgemeinmenschliche innere Schau. Das seelische Material der Künstler sind die inneren Bilder dieser inneren Schau, die im Bilden von Materialien zu einem äußerlichen Bild verdichtet werden.

Das Bild eines Gegenstandes ist das Bild eines Gegenstandes. Das Bild eines Gegenstandes ist nicht der Gegenstand selbst und abstrahiert insofern vom Gegenstand. Die Malerei verfährt immer abstrahierend. Es gibt keine Malerei, die nicht abstrakt wäre. Der Gegenstand selbst – was immer dies auch heißen mag – kann nicht Gegenstand menschlichen Schauens und damit der Kunst sein. Der Gegenstand der Bildenden Künstler ist das innerlich, sinn-voll Geschaute.

Es gibt aber auch selten eine gegenstandslose Malerei. Der überwiegende Teil der Bilder auch der sogenannten abstrakten Malerei hat einen Gegenstandsbezug in der menschlichen Bilderwelt – mehr oder weniger gelungen. Anderslautende Behauptungen sind selbst-vergessen.

Ceci n´est pas une pipe – René Magrittes Beschriftung seines Pfeifenbildes ist nicht unrichtig, aber irreführend. Das Bild eines Gegenstandes ist (natürlich) nicht der Gegenstand selbst, sondern eben das Bild davon. Richtig und etwas unspektakulärer muß es heißen, „Das ist das Bild einer Pfeife“. Die landläufige Beschreibung eines Bildes einer Pfeife mit den Worten „Das ist eine Pfeife“ ist also unter einem estimmten Aspekt ungenau – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Wer verwechselt im Lebensvollzug tatsächlich die Sache mit dem Bild? Aber den Bezug von Bild und Gegenstand zu verneinen ist in der Epistemologie ein Irrtum, im Lebensvollzug Irrsinn. Bild und Gegenstand zu erkennen und aufeinan der zu beziehen ist selbst-verständliche und fundamentale Tätigkeit der Seele.

Der virulente Ikonoklasmus in der Malerei, der nach der Ablösung der Herrschaft der abstrakten Malerei bzw. der feuilletonistischen Aufhebung des Verdikts „Die Malerei ist tot“ nun auch wieder in vielen Spielarten des Figurativen in Erscheinung tritt, gründet sich auf dem alttestamentlichen Bilderverbot oder einem selbst-widersprüchlichen Skeptizismus. Dieser Ikonoklasmus muß überwunden werden.